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Trotz Kollisionsgefahr für Wale Geschwindigkeit der Schifffahrt im nordwestlichen Mittelmeer bleibt unverändert

Veröffentlicht 02.10.2025

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Trotz Kollisionsgefahr für Wale Geschwindigkeit der Schifffahrt im nordwestlichen Mittelmeer bleibt unverändert

Ein aktueller Vergleich der Schifffahrtsdaten von 2023 und 2024 zeigt: Ohne verpflichtende Geschwindigkeitsbegrenzungen bleibt das Risiko tödlicher Kollisionen für gefährdete Wale im Mittelmeer hoch 

Kollisionen mit Schiffen sind die häufigste vom Menschen verursachte Todesursache für große Wale im nordwestlichen Mittelmeer – insbesondere für den Finnwal und den Pottwal, die beide von der Weltnaturschutzunion (IUCN) als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft sind. 

Um dem entgegenzuwirken, erklärte die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) die Region 2023 zum Besonders Empfindlichen Meeresgebiet (PSSA) und empfahl eine freiwillige Reduktion der Schifffahrtsgeschwindigkeit auf 10–13 Knoten. Wissenschaftliche Daten zeigen klar: Bei Geschwindigkeiten unter 10 Knoten sinkt die Wahrscheinlichkeit tödlicher Zusammenstöße drastisch. 

In dieser Zone liegt auch der Walmigrationskorridor, den Spanien bereits 2018 zum Meeresschutzgebiet (AMP) und 2019 im Rahmen des Barcelona-Übereinkommens zum Besonders geschützten Meeresgebiet von mediterraner Bedeutung (ZEPIM) erklärt hatte. 

Ein Vergleich der Schiffsbewegungen in den Jahren 2023 und 2024 – nach gefahrenen Geschwindigkeiten aufgeschlüsselt – macht deutlich, dass die Reedereien die von der IMO empfohlenen Tempolimits in der PSSA-Zone nicht einhalten. Damit besteht weiterhin ein erhebliches Risiko von Schiffskollisionen mit Großwalen (Finnwalen und Pottwalen), die für die Tiere tödliche Folgen haben.   
 
Laut der von Quiet Oceans im Auftrag von OceanCare durchgeführten Analyse zeigen die Daten keine nennenswerte Verlangsamung. 57 % der insgesamt rund 48 Millionen Kilometer, die die Schiffe 2023 und 2024 in diesem Bereich zurückgelegten, wurden mit mehr als 10 Knoten gefahren.  

Bei den sechs wichtigsten Kategorien von Handelsschiffen wurden mehr als 80 % der insgesamt zurückgelegten Strecke –über 25 Millionen Kilometer – mit Geschwindigkeiten von über 10 Knoten gefahren (84,8 % im Jahr 2023 und 82,8 % im Jahr 2024). Betrachtet man ausschließlich die Fähren – sowohl für Passagiere als auch für rollende Ladung (Ro-Ro) –, lag dieser Anteil in beiden Jahren leicht über 90 %. Fähren sind die Schiffe, die die größten Distanzen mit hoher Geschwindigkeit zurücklegen, und damit nicht nur Hauptquelle von Unterwasserlärm, sondern auch ein zentrales Risiko für Kollisionen mit Meeressäugern. 

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Freiwillige Geschwindigkeitsbegrenzungen reichen nicht aus, um bedrohte Wale zu schützen“, erklärten die Umweltorganisationen auf einer Pressekonferenz in Madrid. „Die Ausweisung der PSSA und des Walmigrationskorridors ist ein historischer Schritt – jetzt müssen daraus verbindliche Maßnahmen folgen, um Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Akteure zu schaffen, ohne dabei das Leben dieser großen Meeressäuger zu gefährden.“ 

Eine verpflichtende Geschwindigkeitsreduzierung hätte zudem zahlreiche positive Nebeneffekte: Sie verringert nicht nur Kollisionsrisiken und Unterwasserlärm, sondern senkt CO₂-Emissionen sowie Schadstoffe wie Schwefeloxide, Stickoxide, Feinstaub und Ruß sofort und kostengünstig. 

„Die spanische Regierung muss einen Managementplan verabschieden, der jene menschlichen Tätigkeiten, die den Walmigrationskorridor bedrohen, wirksam regulieren, um das Ziel einer Schutzzone für bedrohte Arten wie den Finnwal und den Pottwal umzusetzen. Zwar ist der entsprechende Prozess bereits im Gange und die Veröffentlichung des Plans für Juni 2026 vorgesehen, doch er kommt mit jahrelanger Verspätung“, so die Organisationen weiter. 

Die Ausarbeitung des Plans liegt beim spanischen Umweltministerium (MITECO) und dem Verkehrsministerium (MITMS), unter Miteinbeziehung der Zivilgesellschaft. Mehrere Umweltschutzorganisationen – darunter Alnitak, Bluewave Alliance, ClientEarth, Ecologistas en Acción, Greenpeace, GOB Mallorca, die Stiftung Marilles, Mission Blue, Oceana, OceanCare, Save The Med und der WWF – fordern diesbezüglich: 

  1. Eine verbindliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf 10 Knoten für alle Schiffe, inklusive Freizeitboote, im gesamten Walmigrationskorridor des Mittelmeers.  
  1. Nur maßgeschneiderte Ausnahmen: 
  • Unter Einbeziehung entsprechender wissenschaftlicher Studien soll ein Verkehrstrennungssystem (TSS, Traffic Separation Scheme) entwickelt werden, in dem Handelsschiffe verpflichtet sind, ihre Geschwindigkeit um einen noch festzulegenden Prozentsatz zu reduzieren. Dieser Prozentsatz soll für jede Schiffskategorie auf der Grundlage von wissenschaftlichen und technischen Studien bestimmt werden.  
  • Für Fährschiffe, die im öffentlichen Dienst verkehren und festen Routen folgen, soll – ebenfalls auf Grundlage einschlägiger wissenschaftlicher Untersuchungen – eine verbindliche Geschwindigkeitsreduzierung festgelegt werden, die das Risiko von Kollisionen möglichst stark verringert, ohne die Qualität des angebotenen Services zu beeinträchtigen. 

Diese Forderung wurde bereits von über 60 Wissenschaftlern und Juristen unterstützt und im Juni 2025 im Rahmen der UN-Ozeankonferenz (UNOC3) der Vizepräsidentin und Umweltministerin Sara Aagesen übergeben. 

Aagesen bekräftigte bei diesem Treffen ihr Engagement für verbindliche Maßnahmen zur Geschwindigkeitsreduktion in den besagten Bereichen. Dafür wurde ein gemeinsames Arbeitsgremium aus Ministerien, Wirtschaft und NGOs eingerichtet.  

Die Organisationen vertrauen darauf, dass sie gemeinsam ausgewogenen Lösungen finden werden, die Umweltschutz und Bedarf des Seetransportes gleichermaßen berücksichtigen.  Die erste und bislang einzige Sitzung des Gremiums fand am 26. Mai in Madrid statt. Die Umweltorganisationen drängen nun auf eine dringende Wiederaufnahme der Arbeitsgruppe.